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Julija Galjamina: "Die Parteipolitik hat sich selbst überlebt"

oDR beginnt eine Interviewreihe mit unabhängigen Politikern und Aktivisten aus Russland. Die Reihe eröffnet ein Gespräch mit Julia Galjamina, einer prominenten Gegnerin des Renovationsprogramms und, seit neuestem, einer Munizipalabgeordneten im Moskauer Timirjasewsky Bezirk. Englisch

Dmitrij Rebrow
5 March 2018
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Julija Galjamina – zivilgesellschaftliche Aktivistin, Politikerin, Dozentin für Philologie und Journalismus. Bild: Julia Koroljowa. Alle Rechte vorbehalten.Julia Galjamina, eine Aktivistin und Philologie-Dozentin an der Nationalen Forschungsuniversität „Hochschule für Ökonomie“, hat an vielen Projekten der Zivilgesellschaft mitgewirkt. In der "Dissernet"-Bewegung befasste sie sich mit den Problemen im russischen Bildungssystem, sie organisierte die "Schule der lokalen Selbstverwaltung", kämpfte gegen die rechtswidrige Bebauung des "Dubki"-Parks und kandidierte für die Staatsduma der siebten Legislaturperiode von der "Jabloko"-Partei. Wie viele andere Oppositionspolitiker wurde Galjamina einem massiven Druck ausgesetzt. So wurde sie und ihr Mann bei der Demo gegen die Korruption am 12. Juni von der Polizei stark verprügelt. Bei ihr stellte man später ein geschlossenes Schädel-Hirn-Trauma fest.

Sie ließ dennoch von ihrem zivilen Engagement nicht ab. Im September 2017 gewann sie die Munizipalwahl in Moskau und wurde Bezirksabgeordnete im Timirjasewskij Bezirksrat. Die Wahlen verliefen nicht ganz unproblematisch: die örtliche Wahlkommission fälschte die Ergebnisse, dadurch verloren die unabhängigen Kandidaten ein Mandat. Galjamina versucht, die Entscheidung der Wahlkommission gerichtlich anzufechten, und löst nebenbei Probleme auf der lokalen Ebene.

oDR sprach mit ihr über ihre Zukunftspläne, über die Proteste im Netz, über die Parteidisziplin und das Los des Vorreiters.

Der Sieg der unabhängigen Kandidaten bei den Munizipalwahlen in Moskau – er wurde zu einer Art Sensation – bezeichneten die meisten Medien in Russland als ein Triumph des "Team Gudkov". Sind Sie mit dieser Auslegung einverstanden?

Es ist ziemlich einfältig, diese Prozesse als etwas anzusehen, das durch eine oder sogar zwei Personen inszeniert werden kann. Es ist eine primitive Sichtweise. Sie zeugt von einer Wahrnehmungsträgheit und unserer Vorstellung von der Macht als einer "Vertikale". In Wirklichkeit waren es zuvilgesellschaftliche Aktivisten, Anführer der lokalen Protestgruppen, Teilnehmer der Massenproteste, die seit einiger Zeit von sich sprechen lassen. Der Sieg gehört ihnen. Und Dank gebührt all denen, die ihnen geholfen haben.

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Bild: Julia Koroljow. Alle Rechte vorbehalten.Neben vielen Projekten, darunter "Die Schule der lokalen Selbstverwaltung", "Offene Wahlen", "Persönlicher Kandidatenmentor", haben auch Katz und Gudkow viel für dieses gute Ergebnis getan. Danach haben sie allerdings die Situation für sich ausgenutzt und die gewählten Kandidaten mit demeigenem "Brand" überklebt. Das bleibt auf deren Gewissen, es hat keinen Sinn, weiter darüber zu streiten.

Woher kamen diese lokalen Gemeinschaften, die Bürgervereine, von denen wir sprechen?

Ab einem bestimmten Zeitpunkt wurde Selbstorganisation überlebenswichtig. Die Staatskassen wurden leer, der Staat begann mit zunehmender Aggression die Interessen der Bürger anzugreifen: Grünanlagen zu entholzen, Parkplätze wegzunehmen, Gesundheitswesen abzuwickeln. Sobald es an die Substanz ging, reagierten die Moskauer hellwach. Es entstanden Interessengruppen aller Art: Gegner des Kirchenbaus im "Torfjanka"-Park, Opfer der betrügerischen Bauunternehmen, geschundene Hypothekenzahler, Leute aus der Warteliste für alle mit einem Anspruch auf Sozialwohnungen, Autofahrer, LKW-Fahrer, Gegner einer neuen Autobahnstrecke. Mit der Zeit knüpften sie Verbindungen, es entstanden horizontale Netzwerke, gegenseitige Unterstützung. Es ist nämlich so: wenn keiner meine Rechte verteidigt, dann ist es an der Zeit, Selbstverteidigung zu lernen.

Ihre politische Karriere begann in einer recht kleinen Gruppe lokaler Aktivisten um den "Dubki"-Park, der durch die Stadtverwaltung an ein kommerzielles Bauunternehmen freigegeben wurde. Nach der "Renovation" sprachen viele Medien von einer zweiten Protestwelle. Sie spielten eine der Schlüsselrollen in dieser Geschichte. Was unterscheidet diese neue Runde der Proteste von den Protesten in 2011-2012, dessen Symbol das weiße Band war?

Es wird keine zweite Welle geben, und es ist gut so. Die Geschichte um "Dubki" ist längst zu Ende. Die Parzelle im Schutzgebiet des Parks, um die wir gekämpft haben, wurde am Ende doch bebaut. Es ist außerdem vollkommen klar, dass weder "Dubki" noch die "Renovation" auch nur das Geringste mit der Massenbewegung der "weißen Bänder" zu tun hat. Noch weniger ist es ihre zweite Runde. Diese beiden Prozesse verliefen völlig unterschiedlich. Sie mögen irgendwie verbunden sein, aber eher indirekt. Es wird auch keine großen Demos mehr geben, schon gar keine mit den Teilnehmerzahlen in Hunderttausenden. Nicht einmal gegen die Renovation.

Höchstens für Nawalny kommen noch die Jungen, aber das eben nur weil sie unerfahren sind und sich einbilden, dass mit den Demos etwas erreicht werden könnte.

Man schaltet jetzt auf Sachlichkeit um, man geht dazu über, die Macht planmäßig zu ergreifen – natürlich nur so hoch und so weit, wie die Hände reichen

Was waren die Proteste von 2011-2012 wirklich? Das waren Emotionen. Ein emotionaler Ausbruch einer entrüsteten Klasse, der von den Politkern und "nebenpolitischen" Figuren ausgenutzt wurde, um sich an die Spitze der Bewegung zu stellen. Es gab viele Sprüche, aber kein Programm. Man schaltet jetzt auf Sachlichkeit um, man geht dazu über, die Macht planmäßig zu ergreifen – natürlich nur so hoch und so weit, wie die Hände reichen. Wir sehen das in Moskau und in regionalen Metropolen, in Sibirien und Ural.

In der Hauptstadt waren es lokale Protestgruppen, die eine Alternative der „großen“ Parteienpolitik geboten haben. Wie kam es?

Die alten Parteien sind träge und schwerfällig geworden, sie entsprechen nicht mehr den Anforderungen der Zeit. Sie sind anfälliger für den Druck vom Staat, während eine Netzgemeinschaft für Gewalt wenig empfindlich ist. Wie kann man Menschen unter Druck setzen, die durch keine Institution verbunden sind? Kriegst du einen lokalen Leader unter – er wird von einem anderen ersetzt. Ohne dass die Sache darunter leidet.

Das heißt, das moderne politische System hat sich selbst überlebt?

Es ist eine Evolution. Die Saurier sterben aus, dann kommen Säugetiere, die Mammute sind schon etwas kleiner. Mammute sterben aus, noch kleinere Spezies kommen hervor. Ich bin davon überzeugt, dass die große Parteipolitik in Russland, in der Form, wie wir sie in den letzten 20 Jahren gekannt haben, sich ausgeschöpft hat.

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Bild: Julia Koroljowa. Alle Rechte vorbehalten.Parteien sollten zu Dienstleistern für die lokalen Führungskräfte werden, ihre Aufgabe sollte es sein, die Politiker zu bedienen, gemeinsame Ziele zu formulieren, zu koordinieren.

In den 2000er Jahren waren unsere Parlamentsparteien keine richtigen Parteien. Sie fungierten als Abteilungen der Präsidentenadministration. Die Oppositionsparteien hätten zu solchen helfenden Organisationen werden können, doch auch sie waren dieser Aufgabe nicht gewachsen.

Nun betreten selbständige Leader die Bühne, die für Parteien keine Verwendung mehr sehen. Sollten alle Parteien einfach verschwinden, würde sich für sie nichts ändern.

Die Opposition machte lange irgendwelchen Unfug. "Märsche der Unzufriedenen": wir sind die Straßen hoch und runtergelaufen. Verstehen sie mich richtig, ich habe nichts gegen die Demos, aber sie sind nur ein Instrument. Waren die "Märsche der Unzufriedenen" ein Instrument? Sie waren schlicht wirkungslos.

Es gab auch schon früher lokale "Aufstände", auch in den Regionen: gegen das Verbot der Rechtslenker, um die Monetisierung der Sozialleistungen und Vergünstigungen, gegen die "punktuelle Bebauung".

Es gab keine Infrastruktur und kein Verständnis dessen, wie es auszusehen hat. Nun kam eine neue Generation. Es entstand eine Ideologie der Basispolitisierung, es entstanden Dienstleister, die imstande waren, den Protest lokal zu organisieren.

Nun betreten selbständige Leader die Bühne, die für Parteien keine Verwendung mehr sehen. Sollten alle Parteien einfach verschwinden, würde sich für sie nichts ändern

Sie erwähnten den Ural und Sibirien, jedoch sehen wir in den Regionen noch nicht den selben Effekt wie in Moskau.

Je karger das Leben, desto weniger Ressourcen stehen den Menschen für die Selbstorganisation zur Verfügung. Es gibt einen Spruch über den Kampf, der nach der Einführung der Sanktionen in Russland begann – der Fernseher kämpft gegen den Kühlschrank. Das ist aber ein Märchen. Der Fernseher und der Kühlschrank spielen für die selbe Mannschaft und teilen ihre Siege und Niederlagen.

Mir scheint es, dass die alten "vertikal integrierten" Parteien, darunter die liberalen, alle dem „leninschen Typ“ gehörten: Sie sahen sich selbst als eine Avantgarde, die seine Aktivisten "ins Volk" schickt, wobei das Wahlvolk, das Elektorat, natürlich, passiv und zur Selbstorganisation unfähig sei. Nun hat sich alles verändert, die Initiative ist im anderen Spielfeld.

Es war doch ganz anders in den späten 80er und frühen 90er Jahren. Wo kam, sagen wir, Boris Nemzow her? Welche Partei hat ihn ins Rennen geschickt? Wer hat ihn aufgestellt? Das Parteisystem, von dem wir sprechen und das ich kritisiere, kam später zustande. Aber es wurde gleich nach dem Entstehen zu einem Bronzemonument seiner selbst.

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„Veränderungen! Wir warten auf Veränderungen!“ Ein Graffito in Moskau, 2012. Foto CC-by-2.0: Ewgenij Isajew / Flickr. Einige Rechte vorbehalten.

Heutige Prozesse sind übrigens den Ereignissen der späten 80er Jahre sehr ähnlich. Der Sieg unabhängiger Kandidaten bei den Munizipalwahlen in Moskau ist im gewissen Sinne eine Analogie der ersten Welle der "Demokarten", die noch unter Gorbatschow in die Stadträte gekommen sind. Mit dem Unterschied, dass die Gesellschaft in den 80ern voller Enthusiasmus war. Heute herrscht Apathie.

Heutige Prozesse sind übrigens den Ereignissen der späten 80er Jahre sehr ähnlich

Auch in 1990 und 1991 waren viele enttäuscht und zynisch. Es kommt uns heute nur so vor, als wäre es damals so idyllisch gewesen. Was wir heute sehen ist, wie ich meine, die erneute Entstehung der Politik als solcher in Russland.

Allerdings kann damit jederzeit Schluss sein: Wenn lokale Leader, die auf der Welle des Enthusiasmus von den lokalen Gemeinschaften in die Munizipalräte gebracht wurden, sich auf einmal als nutzlos erweisen, wenn sie es nicht schaffen, zu einer politischen Kraft zu werden. Und wenn sie genauso wenig Volksnähe haben werden als die ältere Politikergeneration. Dann werden die Leute ihnen den Rücken kehren. Das wird das Schlimmste sein. Wir sind Pioniere, Vorreiter, Entdecker der riesigen politischen Kontinente, und auf uns liegt momentan eine kolossale Verantwortung.

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Julija Galjamina agitiert die Moskauer zur Teilnahme an der Protestaktion am 27. und 28. Mai gegen die Pläne Moskauer Regierung, massenhaft fünfstöckige Wohnhäuser abzureißen. Bild: Verteidigungsstab der Moskauer / YouTube. Einige Rechte vorbehalten.

Apropos Verantwortung. Wir haben abgemacht, Maxim Katz nicht zu erwähnen. Dennoch geht gerade ein Spaltung durch den gerade gewählten Munizipalrat im Bezirk Chamowniki. Darin spielt Katz eine äußerst aktive Rolle.

In Chamowniki haben die unabhängigen Kandidaten die Mehrheit erreicht, und da gibt es tatsächlich eine Spaltung: Ein Teil der Abgeordneten gehört zum "Team Katz", und die anderen nicht. Die Letzteren schlugen für den Posten des Bezirksratsvorsitzenden Alexandra Paruschina vor, eine erfahrene Aktivistin. Das "Team Katz" hat, von Maxim selbst initiiert, einen eigenen Kandidaten.

Und was passt Katz nicht an Paruschina?

Er möchte Paruschina in erster Linie deswegen nicht an der Spitze des Rats sehen, weil er über sie keine Kontrolle hat.

Hat er denn Kontrolle über "seine" Kandidaten?

Ja, für viele erscheint er als eine Autoritätsfigur, und sie hören auf ihn. Ich weiß nicht, warum er nach so viel Kontrolle strebt. Aber momentan nimmt Katz tatsächlich sehr aktiv daran teil, die Vorsitzenden der Munizipalräte zu besetzen. Er ist als eine Art graue Eminenz dabei. Soviel ich weiß, besuchte er auch in anderen Bezirken die Ratsversammlungen.

Man könnte sagen, dass die 300 unabhängigen Kandidaten für die Munizipalräte sich in zwei Gruppen teilen: Einerseits die realen Aktivisten auf der Bezirksebene, die eigentlichen lokalen Leader, die ihren Wahlsieg sich selbst verdanken. Und auf der anderen Seite gibt es zufällige Leute, ohne jede Erfahrung, die Katz "von der Straße" aufgesammelt hat. Drittens gibt es eine Anzahl von Kandidaten, die als Aktivisten angefangen haben, aber schlussendlich die Hilfe des "Stabs" in Anspruch genommen haben.

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Bild: Julia Koroljowa. Alle Rechte vorbehalten.Im Bezirk "Degunino-Ost" kandidierte zum Beispiel von Maxim ein Mann, der zweifach für Raubüberfall vorbestraft ist. Gegen ihn schickten die Kommunisten ihren Mann ins Rennen. Am Ende verloren beide. Kein einziger unabhängiger Kandidat schaffte es in den Rat.

Was hat er davon, zufällige Leute in die Bezirksräte zu schleppen?

Das ist gerade ziemlich einfach. Für Katz und Gudkow sind die Munizipalwahlen eine rein technische Aufgabe. Gudkow will im Herbst für den Oberbürgermeisterposten kandidieren, er muss die munizipale Hürde nehmen. Wenn man die lokale Selbstverwaltung nur von dieser Warte betrachtet, ist es dann nicht egal, wer genau als Abgeordneter fungiert? Wenn alles, was von ihm gefragt ist – seine Unterschrift neben dem richtigen Namen.

Die Kommunistische Partei ist übrigens bei den diesjährigen Munizipalwahlen insgesamt durchgefallen.

"Jabloko" erzielte einigermaßen gute Ergebnisse nur dank Slabunowa, die immerhin richtig ansetzt: "von unten nach oben", und nicht umgekehrt... Ungeachtet dessen treten wir, die Gewinner der Wahlen, selbst diejenigen, die von bestimmten Parteien kandidierten, jetzt als eine unabhängige Kraft auf. Wir sind eine Kraft, die keinen Wert darauf legt, sich bei irgendwelchen Körperschaften mit eigener Bürokratie und eigenem Etat einzureihen.

Vor kurzem veranstalteten sie einen Kongress der unabhängigen Abgeordneten. Waren die Kandidaten "von Katz" da?

Ja, aber es ging uns nicht um Katz, ob pro oder contra. Der Kongress ist ein Versuch, horizontale Verbindungen zwischen den Munizipalräten zu knüpfen. Etwa ein Hundert Abgeordnete nahmen teil. Wir einigten uns auf die Koordination der gesetzgeberischen Bemühungen, so dass wir ein Gegengewicht für den regierungstreuen "Rat der Munizipaleinheiten" erschaffen, unseren eigenen "Rat", für den wir Kandidaten von den Bezirksräten vorschlagen werden... Das ist bereits eine politische Sache.

Es erinnert an die Sowjets in Petrograd vor hundert Jahren. Ist es eine Art von alternativer „Machtvertikale“?

Ja, im Rahmen des Gesetztes. Der Rat, wie ich ihn sehe, kann zu einer treibenden Kraft der positiven Veränderungen in der Stadt werden.

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Bild: Julia Koroljowa. Alle Rechte vorbehalten.

Ich würde gerne ein paar persönliche Fragen stellen. Bis zu einem bestimmten Zeitpunkt waren sie Wissenschaftlerin, studierten in aller Ruhe die sibirischen Sprachen...

Ich bin immer noch eine Wissenschaftlerin. Doch ich hatte nie in aller Ruhe sibirische Sprachen studiert. Bei mir ging immer die Wissenschaft Hand in Hand mit Aktivismus.

Also für viele LKW-fahrer endete ihr "Standstreik in Chimki" in Scheidungen...

Ach so... Fragen sie mich nach meinem Mann?

Na ja, er hatte wohl mal ein normales Leben gehabt!

Sein Leben war noch nie normal! (Lacht) 2003 wurde ich politische Reporterin, da war unser Kind ein Jahr alt, wir waren zweieinhalb Jahre verheiratet. Er ist es gewöhnt, dass ich mal in Gewahrsam genommen, mal verprügelt werde. Seinen letzten Geburtstag feierte er im Wahllokal, da liefen die Wahlen auf Hochtouren, und es war der Sekrertär der Wahlkommission, der ihm zuerst gratulierte, und nicht die eigene Frau. Er weiß aber, dass es alles nicht umsonst ist.

Ich sah auf ihrer Tür: "STOP Kommunismus!"

Unsere Bezirkskommunisten sprechen mich auf diesen Sticker immer wieder an: "Nimm‘s weg!". Ich nehme es aber nicht weg. Das sind meine Überzeugungen. Ich weiß trotz allem, dass sie meine besten Gefährten sind, auf sie kann ich mich immer verlassen, und sie auf mich.

Was Menschen vereint, sollte kein Parteibrand sein – ob "Kommunisten" oder "Liberale" – sondern eine konkrete Aufgabe

Was Menschen vereint, sollte kein Parteibrand sein – ob "Kommunisten" oder "Liberale" – sondern eine konkrete Aufgabe, die den konkreten Interessen der Gemeinschaft entspricht, solange diese nicht den gemeinsamen Werten zuwiderlaufen. Sonst bleiben wir auf ewig in unendlichen Streitereien stecken, ohne jemals etwas zu erreichen.

Wie ist es aber mit der Einstellung, sagen wir, gegenüber Stalin?

Es ist auch wichtig, aber auf der Munizipalebene stellt sich die Frage sehr einfach: Stimmst du bei der Wahl des Ratsvorsitzenden für einen Kandidaten der "Einiges Russland"-Partei oder gegen ihn? Das ist gerade sehr wichtig, es ist nämlich eine politische Handlung. Ihre Meinung über die Geschichte und die Regierenden aus dem vergangenen Jahrhundert spielt dagegen, seltsamerweise, keine große Rolle.

Und was wird aus der Parteidisziplin? Besonders für diejenigen, die ja doch unter bestimmten Parteifahnen in die Wahl gezogen sind.

Ich habe persönlich beobachtet, wie man sich die Partei aussuchte. Man brauchte ein Foto fürs Flugblatt, und die Diskussion ging so: Jabloko hat den Photographen so und so, die KPRF hat den und den, und der dritte arbeitet für dies und das. Wer ist der bessere Photograph? Der von der KPRF? Dann gehen wir mit den Kommunisten! Unter diesen Umständen ist die "Parteidisziplin" und alles, was unsere politischen Dinosaurier kennen, so archaisch, dass es nur noch zum Lachen ist.

Ja, die Partei ist ein effektives Instrument, wenn man eine föderale Agenda hat. Unter anderem auch deswegen, weil unsere Gesetze für Parteien geschrieben sind. Aber die lokalen Leader haben keine solche Agenda. Sie könnte mit der Zeit entstehen.

Übersetzung: Luba Gurova.

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