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Globale ökonomische Scorecards, die Menschenrechte ignorieren, honorieren die Intoleranz

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Es stimmt etwas nicht, wenn die Weltbank und andere Organisationen Bestnoten für "Wettbewerbsfähigkeit" und "Ease of Doing Business" an Länder vergeben, die schwule oder lesbische Mitarbeiter eines Unternehmens kriminalisieren. English, EspañolFrançais

Kevin Jennings
24 February 2015

Das globale ökonomische Scorecarding ist allgegenwärtig. Indizes bewerten die Leistung der Länder hinsichtlich diverser Themen: Korruption, die Lebensqualität der Expat-Mitarbeiter, Steuersätze, Logistikleistung und vieles mehr. Manche Rankings jedoch wählen mehr übergreifende Ziele, z. B. "Ease of Doing Business" oder "wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit" und erheben den Anspruch, den Fortschritt dieser Länder ihnen gegenüber anhand einer Reihe von spezifischen Faktoren zu messen. Die weggelassenen Faktoren können jedoch zu pervertierten Ergebnissen führen und scheinen in einigen Fällen materiell negative Aspekte eines wirtschaftlichen Umfeldes wie Intoleranz und Diskriminierung zu ignorieren und zu belohnen - als ob beide gut fürs Geschäft seien.

Beispielsweise hat die Weltbank in ihrem kürzlich veröffentlichten Bericht Doing Business zum neunten Mal in Folge Singapur als das beste Land der Welt bezeichnet, in dem man Geschäfte machen kann. Der Bericht "bietet objektive Maßstäbe hinsichtlich Geschäftsregularien für lokale Unternehmen in 189 Volkswirtschaften und ausgewählten Städten auf subnationaler Ebene", so das Finanzinstitut. Doch am selben Tag, an dem die Bank ihren Bericht veröffentlichte, bestätigte Singapurs High Court das Recht des Landes, gleichgeschlechtliche Beziehungen zu kriminalisieren. Auch im vom Weltwirtschaftsforum (WEF) gerade veröffentlichten Global Competiveness Report rangiert Singapur als die zweite "wettbewerbsfähigste" Wirtschaft der Welt.

Das Fazit? Singapur ist ein großartiger Ort, um Geschäfte zu machen - es sei denn, dass Sie homosexuell sind. Wie können zwei so diskordante Vorkommnisse in Einklang gebracht werden? Wie kann ein Land, das intim einvernehmliches Verhalten zwischen zwei Erwachsenen kriminalisiert, gleichzeitig ein so genannter "großartiger Ort zum Geschäftemachen" sein?

Tatsache ist, dass die beiden Ereignisse nicht in Einklang gebracht werden können - es sei denn, das Geschäft ist amoralisch. Wenn alles, was man braucht, um ein "großartiger Ort fürs Geschäft" zu sein, das Auferlegen von möglichst wenigen Regeln ist, dann könnte Singapur in der Tat ein großartiger Ort sein, um ein Geschäft zu begründen.

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Demotix/Mohdfyrol Marican Aziz Anwar (All rights reserved)

Yes, Singapore's government's policies on regulation and free-enterprise have created a business friendly environment, but is this appeal undermined by Singapore's denial of some of its citizens human rights?


 

Aber wenn die Unternehmen einen ganzheitlichen Blick anwenden, dann scheitert Singapur. Erstens ist Singapurs Beharren auf der Kriminalisierung gleichgeschlechtlicher Beziehungen ein Schlag ins Gesicht des Geschäftssinns. Wie fast jeder Großkonzern weiß, erfordert der Erfolg in einem wettbewerbsintensiven Umfeld die Gewinnung und Bindung der besten Talente, und ein Gesetz, das hochqualifizierte Mitarbeiter von der Arbeit an einem bestimmten Ort abschreckt, ist, auf lange Sicht, schlecht fürs Geschäft. Sie werden keine Talente anziehen, wenn Sie einigen Ihrer brillantesten Mitarbeitern mitteilen, dass sie riskieren, ins Gefängnis zu kommen, wenn sie in Ihrem Land arbeiten.

Zweitens ignoriert die enge Auswahl an Kriterien in den Ranking-Systemen der Weltbank oder des WEF stillschweigend die Verantwortung, die Unternehmen jenseits des schnellen Geldes haben. Sie müssen Wertesysteme haben, die über das reine Profitstreben hinausgehen. Die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, sowohl von der Weltbank als auch dem WEF verfochten, machen deutlich, dass Unternehmen die grundlegenden Menschenrechte ihrer Mitarbeiter zu respektieren haben und sich gegen Diskriminierung wenden müssen.

Sich dieser Verantwortung zu entziehen bedeutet, die schiefe Bahn der Berechnung, wie viel Diskriminierung in der Jagd nach Profit moralisch akzeptabel ist, zu betreten. Am Ende dieser Bahn kommen wir zu der Logik, die die deutsche Firma IG Farben und andere während des Zweiten Weltkrieges zu dem Schluss kommen ließ, es sei akzeptabel, Sklavenarbeit  verrichten zu lassen. Es wäre schwer, mit Ihrer Logik zu argumentieren, wenn "Ease of Doing Business" oder die relative Freiheit von Regulierung Ihre einzigen Maßstäbe wären. Aber sie sind es nicht.

Die Weltbank tut gut daran, ihren Doing Business-Bericht mit Kriterien der Beurteilung der menschenrechtlichen Gegebenheiten, einschließlich der sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität, zu versehen. Das Ergebnis würde ein wahrhaftiges und nützliches Dokument sein. Und aus dem gleichen Grund sollte das WEF sich selbst fragen, ob es, neben Singapur, auch Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien verdienen, in den Top 25 der am meisten "wettbewerbsfähigen" Volkswirtschaften der Welt verzeichnet zu werden. Alle kriminalisieren gleichgeschlechtliche Beziehungen, haben aber auch in unterschiedlichem Maße diskriminierende Gesetze gegen Frauen und behandeln Arbeitsmigranten unfair (im Falle Katars sind sie schwerwiegend, kürzliche Vorwürfe hinsichtlich erlaubter Zwangsarbeit).

Die scheinbare Blindheit des WEF-Wettbewerbsfähigkeits-Rankings gegenüber diesen Fragen ist besonders unpassend, da das WEF selbst - dies muss man ihm jedoch zugute halten - jährlich eine Scorecard über die Länderleistung hinsichtlich der Gleichstellung der Geschlechter in Politik und Wirtschaft veröffentlicht - den Global Gender Gap Report. Das Argument, welches er für die Verbesserung der Rolle der Frauen in der Wirtschaft vorgibt, ist genau das, dass sich dadurch ihre Leistung verbessern wird.

Kein Zweifel, für die beteiligten Unternehmen sind die Entscheidungen schwierig. Wie vermeidet man Diskriminierung in Ländern, in denen sie rechtlich zulässig oder gar mandatiert ist? Mit ähnlichen Dilemmata während der Apartheid in Südafrika konfrontiert, verkündete der Pfarrer Leon Sullivan die Sullivan Principles. Diese Prinzipien legten grundlegende Verpflichtungen fest (wie Antidiskriminierungsmaßnahmen auf Grund von Rasse und der Weigerung, Einrichtungen zu trennen), denen Unternehmen folgen konnten, wenn sie während der Apartheid in Südafrika tätig waren. Vielleicht ist es Zeit, eine ähnliche Reihe von Grundsätzen in Kraft zu setzen, denen Unternehmen folgen können, um in den fast 80 Ländern (u. a. Singapur), wo es noch ein krimineller Akt ist, einfach lesbisch, schwul, bisexuell oder Transgender zu sein, zu operieren; oder die vielen Länder, in denen die geschlechtsspezifische Diskriminierung gesetzlich vorgeschrieben ist. Weiterhin "Business as usual" an Orten, die grundlegende Menschenrechte verletzen, zu betreiben, ist nicht amoralisch - es ist unmoralisch.

Einige werden argumentieren, dass es eine Frage der Kultur und nicht universeller Rechte ist, und dass es westlichen Regierungen oder Unternehmen nicht ansteht, lokale Normen zu beklagen oder zu übergehen. Es gibt zwei Antworten auf diese Position. Zum einen ist eine solche Diskriminierung unter globalen Menschenrechtsnormen, die für alle Länder gelten, unzulässig. Und zweitens sind es nicht einfach "westliche" Bedenken. In Hongkong unterstützt ein lokales, nicht profitorientiertes Gemeinwesenunternehmen die Förderung eines Indices, der die LGBT-Inklusion am Arbeitsplatz misst. Der Index basiert auf einem Anwendungscodex gegen Diskriminierung während der Beschäftigung aufgrund der sexuellen Ausrichtung [Code of Practice Against Discrimination in Employment on the Ground of Sexual Orientation] (den Unternehmen unterzeichnen) und wird von der Regierung Hongkongs gefördert. Der Kampf für die Gleichstellung ist universell.

Es ist Zeit für die Weltbank, das WEF und andere, die die Wirtschaftsleistung bewerten, aufgrund einer grundlegende Tatsache aufzuwachen. Ein Land kann kein großartiger Ort für Geschäfte sein, solange es systematisch einige seiner Bürger diskriminiert. Wenn Sie die Menschen miteinbeziehen, dann scheitern Länder wie Singapur. So einfach ist das.

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